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Wildnis in Deutschland und Thüringen

In Deutschland werden Wildnisgebiete als ausreichend große (je nach Ökosystem mindestens 500 bzw. 1.000 ha), weitgehend unzerschnittene sowie vor allem nutzungsfreie Gebiete definiert. Sie gehören zu den äußerst wertvollen „Schatzkammern“, in denen sich unsere Natur frei und ohne den direkten Einfluss durch uns Menschen entwickeln darf. Wo sich Wildnisgebiete entwickeln und unter dauerhaftem Schutz stehen, kann ein von menschlicher Hand weitgehend unbeeinflusster Ablauf aller natürlichen Prozesse gewährleistet werden.

Bei der Betrachtung von Wildnisgebieten im Allgemeinen ist jedoch nicht nur von Wäldern auszugehen. Wassernahe Gebiete wie Küsten, Moore, Flussauen oder Seen können genauso als Wildnisgebiete unter Schutz stehen wie Hochgebirge, ehemalige Tagebaulandschaften oder nicht mehr genutzte Militärgebiete.

In unserer heutigen Kulturlandschaft, welche vorrangig aus land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen, unzähligen Siedlungen und Verkehrsadern besteht, ist die Landschaft jedoch häufig stark zerschnitten und naturnahe Ökosysteme sind oftmals nur punktuell und isoliert vorhanden. Auf der anderen Seite verfügt Thüringen als „Waldland“ über enorme Potenziale an relativ naturnahen Waldflächen sehr unterschiedlicher Größen, die sich für eine Nutzungsaufgabe eignen. Diese forstlich ungenutzten Wälder in Thüringen werden im Rahmen der Onlinepräsentation NATUR.WALD.WANDEL betrachtet.

„Die Thüringerinnen und Thüringer können sich auf mehr Waldwildnis freuen. Wo sich unsere Wälder natürlich entwickeln können und die Bäume sehr alt werden können und langsam verrotten, entstehen neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Das ist gut für die biologische Vielfalt und gut fürs Klima. Aber auch gut für den Tourismus und die Wertschöpfung in der Region...“

Anja Siegesmund
vormals Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz am 04.12.2018 in der Sitzung der Thüringer Landesregierung zur Vorstellung der Flächen, mit denen die Koalitionsvereinbarung umgesetzt wurde, 5% des Waldes aus der forstlichen Nutzung zu nehmen.

Mehr ungenutzte Wälder – mehr Vielfalt für alle

Das Entstehen und der Schutz von Wildnis jeglicher Art ist ein langfristiger Ansatz, uns und unseren nachfolgenden Generationen die Möglichkeit zurückzugeben, „natürliche Prozesse“ zu erleben. Kommende Generationen können in ungenutzten Wäldern die dort ablaufenden natürlichen Prozesse und den damit einhergehenden Wandel und die Veränderungen in der biologischen Vielfalt erfahren. Darüber hinaus profitieren sie von Ökosystemleistungen wie sauberer Luft, reinem Trinkwasser und CO2-Speicherung. Ungenutzte Wälder bedeuten mehr Vielfalt: an Lebensraum und Strukturen, an speziell daran gebundenen Arten, Prozessen sowie Anpassungsstrategien. Für uns alle ergeben sich damit mehr Möglichkeiten, zukünftig von der Natur zu lernen.

Mehr ungenutzte Wälder in Mitteleuropa sind nicht zuletzt auch eine unerlässliche Basis für mehr Glaubwürdigkeit in Fragen des weltweiten Natur- und Klimaschutzes.

Unsere Vision ist es, dass sich in Thüringen wieder faszinierende, wilde Waldbilder einstellen, in welchen Entwicklungsprozesse ungestört ablaufen können und sich so überraschend neue Perspektiven eröffnen. Diese Vision soll NATUR.WALD.WANDEL veranschaulichen.

Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt

Bereits im Jahr 2007 wurden in der sogenannten Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) Ziele zu mehr Wildnis (sog. 2%-Ziel) sowie zu mehr „Wäldern mit natürlicher Waldentwicklung“ (sog. 5%- oder NWE5-Ziel) formuliert. Das übergeordnete Ziel ist der sogenannte Prozessschutz, d.h. es soll in Deutschland wieder Flächen geben, auf denen sich die Natur ohne lenkende Eingriffe des Menschen nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln darf.

Gemäß 2%-Ziel soll sich die Natur auf mindestens zwei Prozent der deutschen Landesfläche nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln können und in Form großflächiger Wildnisgebiete von mindestens 500 bzw. 1.000 Hektar rechtlich gesichert werden, z.B. als Nationalpark. Zur Umsetzung dieser Zielstellung bestehen noch sehr unterschiedliche Auffassungen. Das Bundesumweltministerium hat dazu einen Wildnisfonds eingerichtet.

In zahlreichen Bundesländern wird derzeit vor allem das NWE5-Ziel verfolgt, wonach eine natürliche Waldentwicklung auf fünf Prozent der Waldfläche angestrebt wird. Hier geht es im Kern um die Aufgabe der forstwirtschaftlichen Nutzung, wobei auch kleineren Flächen wichtige Funktionen zukommen. Die Thüringer Landesregierung hat es geschafft, gut fünf Prozent der Waldfläche Thüringens auszuwählen, die sich zum „Urwald von morgen“ entwicklen können. Dabei sind alle Größenklassen vertreten, auch einige große Wildnisgebiete.

Waldwildnis Status quo

Die wilden Wälder Thüringens gehen online

In Thüringen hat das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft zusammen mit dem Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) die fünf Prozent des Waldes in Thüringen ausgewählt, die dauerhaft aus der forstwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen sind. Einige Flächen sind bereits seit längerer Zeit ungenutzt und einige wurden im Zuge der Auswahl bereits aus der Nutzung genommen. Auf einem geringen Anteil sind noch Waldumbaumaßnahmen erforderlich, die innerhalb der nächsten zehn Jahre abgeschlossen werden. Erforderliche Verkehrssicherungsmaßnahmen, Forstschutzmaßnahmen oder andere Maßnahmen der akuten Gefahrenabwehr sind allerdings auch in Zukunft auf diesen Flächen möglich.

Die Auswahl der Flächen ist zum Teil von kontroversen Debatten begleitet worden. In einzelnen Beiträgen wurde auch ein allgemeines Unverständnis über die Zielrichtung vorgetragen. Die Onlinepräsentation NATUR.WALD.WANDEL wurde konzipiert, um über die forstlich ungenutzten Waldflächen in Thüringen umfassend zu informieren. Dazu sind die Flächen in 120 Gebiete eingeteilt worden.

Durch die Präsentation NATUR.WALD.WANDEL wollen wir einerseits über die Belange und Erfordernisse des Waldnaturschutzes informieren. Andererseits möchten wir zudem den Nutzen und den langfristigen Mehrwert der forstlich ungenutzten Wälder für die Allgemeinheit aufzeigen. So soll das Verständnis und damit die Akzeptanz für die Flächen gesteigert werden, auf denen die forstliche Nutzung bereits aufgegeben wurde oder künftig aufgegeben werden soll.

Mit NATUR.WALD.WANDEL möchten wir interessierte Thüringerinnen und Thüringer sowie unsere Gäste herzlich einladen, sich mit der Thematik und ihren Herausforderungen zu beschäftigen. Informieren Sie sich online über die Gebiete, um demnächst analog auf Entdeckungstour zu gehen. Auch vor Ihrer Haustür gibt es mit Sicherheit einen kleinen Schatz zu entdecken.

NATURWALDWANDEL Logo

NATUR.WALD.WANDEL im Prozess

Zunächst sind alle forstlich ungenutzten Wälder in Thüringen in Karten digital erfasst und je nach Entwicklungsstand in verschiedene Kategorien eingeteilt worden. Diese Flächen wurden um zahlreiche zusätzliche Angaben (wie Arten und Biotope, rechtlicher Status etc.) ergänzt. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der konkreten Nutzungsaufgabe sowie noch erforderlicher Maßnahmen auf den einzelnen Waldflächen wurde folgende Flächeneinteilung vorgenommen:

Grafik bunte Flächen

Grüne Flächen – sofortige Aufgabe: Flächen mit sofortiger oder bereits erfolgter Aufgabe der forstlichen Nutzung.

Gelbe Flächen – Flächen, auf denen ggf. noch bis zum Jahr 2029 Maßnahmen des Waldumbaus durchgeführt werden.

Violette Flächen – Flächen des Nationalen Naturerbes (NNE): Aufgabe der forstlichen Nutzung von Waldflächen innerhalb dieser Flächen wird nach Maßgabe des noch zu erarbeitenden Naturerbe-Entwicklungsplans erfolgen.

Blaue Flächen – Flächen mit kleinflächigen Pflegemaßnahmen: Waldgebiete, die zwar aus der forstlichen Nutzung genommen sind, in denen jedoch gezielte Pflegemaßnahmen erfolgen können, die dem speziellen Arten- und Biotopschutz dienen.

Für jedes der 120 Gebiete wurden zudem attraktive und aussagekräftige Fotomotive angefertigt, die schon jetzt deren Attraktivität widerspiegeln und das Interesse an diesen „Urwäldern von morgen“ wecken sollen. Ergänzt um interessante Fakten und Informationen sowie zusätzliche Erläuterungen ist für jedes dieser ungenutzten Waldgebiete ein individueller Steckbrief verfügbar. Die Steckbriefe können auf dieser Webseite abgerufen und bei Bedarf auch ausgedruckt werden.

Diese Kategorisierungen finden Sie in den herunterladbaren PDF-Steckbriefen der einzelnen Wälder.